The Strange Sound of Happiness: Diego Pascal Panarello folgt der geheimnisvollen Kraft der Maultrommeln

DAN MOI Clemens Voigt & Sven Otto GbR
The Strange Sound of Happiness: Diego Pascal Panarello folgt der geheimnisvollen Kraft der Maultrommeln - Neuer Maultrommel-Film. The Strange Sound of Happiness. Diego Pascal Panarello folgt der geheimnisvollen Kraft der Maultrommeln

Endlich gibt es wieder einen neuen Film über die Maultrommel. Der sizilianische Filmemacher Diego Pascal Panarello arbeitete über sieben Jahre lang an „The Strange Sound of Happiness“. Beim Leipziger DOK Festival 2017 feierte die Fantasy-Doku ihre Weltpremiere. DAN MOI traf Diego im Foyer des Kinos in Leipzig wenige Minuten vor der Premiere. Auf einem Bartisch breitete er nicht nur seine Maultrommelsammlung für uns aus, sondern auch einige berauschende Legenden u.a. über die Verbindung der Maultrommel mit der Mafia, die Geschichte über den Verlust seiner Lieblings-Maultrommel und natürlich seine ganz persönliche erste Begegnung mit den „Sorgenvertreibern“.

Diego Pascal Panarello (DPP): Ich komme aus der Stadt Augusta, das liegt auf Sizilien zwischen Syrakus und Catania. Augusta hat einen Marinestützpunkt und einen Fischereihafen. Zu meiner ersten Maultrommel kam ich ganz zufällig. Ich weiß gar nicht so genau warum, aber eines Tages wachte ich auf und wollte Maultrommel spielen. Also ging ich zu einem Souvenirgeschäft und kaufte mir eine. Als ich sie hatte, hörte ich eine Woche lang nicht auf, sie zu spielen. Meine Lippen begannen zu bluten, weil ich sie nicht richtig spielen konnte. Aber das hat sich nicht schlecht angefühlt, genaugenommen ging es mir beim Spielen richtig gut. Das ist jetzt 12 oder 15 Jahre her, danach habe ich die Maultrommel wieder vergessen. Ich spielte nur noch hin und wieder mal. Es hat mir Spaß gemacht, denn ich wurde immer ein wenig besser. Ich dachte so für mich, es ist etwas Geheimnisvolles an diesem Instrument dran. Es faszinierte mich. Auch sein italienischer Name faszinierte mich: Scaccia Pensieri bedeutet soviel wie „verschwindet, ihr schlechten Gedanken“. Das machte mich neugierig.

DAN MOI: Wie würdest Du Dich bezeichnen?

DPP: Ich bin Filmregisseur und ich bin ein gescheiterter Musiker. Ich wollte Musiker sein, aber ich war nie fähig ein Instrument spielen zu lernen. Ich bin eine Niete in der Musik, ich hab kein Gefühl für Rhythmus, Stimmung oder sonst irgendetwas ... Ich wurde Filmemacher. Und jetzt bin ich sogar doch noch ein ganz klein wenig Musiker geworden.

DAN MOI: Welche Geschichte erzählst Du in dem Film?

DPP: Es ist die Geschichte eines Typen, der 20 Jahre lang auf der Suche nach etwas war, der nicht genau wusste wonach er Ausschau hielt und es schließlich auch nicht fand. Er ist von diesem Leben müde geworden und kehrt in sein Elternhaus zurück. Ganz zufällig fällt ihm dieses kleine Instrument in die Hände und er folgt seinem Klang. Dadurch entdeckt er etwas, das er vorher nicht kannte. Der Film bewegt sich zwischen Realität und Fantasie. Es ist ein Dokumentarfilm mit einer Brise Fiktion. Ein visionärer Pop-Trip. Eine bewegte Geschichte ohne den Anspruch lückenlos historisch zu berichten.

Dieser junge Typ gelangt also nach 20 Jahren durch die Maultrommel in eine ganz neue Welt. Diese neue Welt ist im Film durch Jakutien repräsentiert, denn Jakutien ist so ganz und gar verschieden zu Sizilien. Es erscheint wie ein Ort, der nur in der Vorstellung existiert. Im Film gelange ich nie in Wirklichkeit an diesen Ort, weder mit dem Zug, noch mit dem Flugzeug. Aber ich reise in Gedanken dorthin. Mich hat dieser andere Ort immer sehr fasziniert. Deshalb habe ich den Film zwischen Sizilien und Jakutien stattfinden lassen. Der eine Ort ist das Gegenteil des anderen Ortes. Es kommen noch ein paar andere Ecken der Welt im Film vor, wie Frankreich, Ungarn und Österreich, allerdings bekommt man das als Zuschauer nicht direkt mit, denn sie sind Teil der Geschichte und werden nicht genau benannt.

DAN MOI: Wie stark ist die Maultrommelkunst in Sizilien verbreitet?

DPP: Zunächst einmal ist die Maultrommel ein Souvenir für Touristen. Sizilien ist durch einige Kinofilme bekannt. Leute aus aller Welt kommen nach Sizilien, weil sie die Insel durch den Film „Der Pate“ oder den Gauner Salvatore Giuliano kennengelernt haben und sie mit eigenen Augen sehen wollen. Viele nehmen eine Maultrommel mit, wenn sie wieder abreisen. Seit etwa zehn Jahren gibt es außerdem das Marranzano World Festival in Catania. Es zeigt die Maultrommel in einem ganz neuen Licht und rückt sie aus der Touristenecke und der Mafiatradition raus.

Ursprünglich war die Maultrommel in Sizilien das Instrument der Schäfer. Sie pflegten Maultrommel zu spielen, wenn sie mit den Tieren allein in den Bergen unterwegs waren. Als die Mafia begann die Gebiete neu zu organisieren, kam den Schäfern eine wichtige Rolle zu. Denn sie waren es, die mit ihren Schafen über die Ländereien zogen. Die Mafia versuchte sie deshalb auf ihre Seite zu ziehen, um Kontrolle über die Gebiete zu erlangen. Auf diese Weise kamen Maultrommel und Mafia in Kontakt miteinander. In den Filmen über Salvatore Giuliano, spielen Schäfer Signale auf der Maultrommel, wie „Salvatore, die Polizei kommt“. Allerdings denke ich, dass dies eine Erfindung des Regisseurs Francesco Rosi war und nicht der Realität entsprach.

Es gibt viele Legenden, die davon berichten, dass mit Maultrommeln Signale von einem Hügel zum anderen geschickt wurden. Jedoch muss das schwierig gewesen sein, bedenkt man wie leise die Maultrommeln klingen. Genau das aber ist das Schöne daran: es gibt keine Geschichte der Maultrommel in Sizilien, dafür aber eine ganze Menge Platz für Mythen. Wahrscheinlich folgt mein Film genau diesem Ansatz. Die Maultrommel ist ein unbeschriebenes Blatt und man kann viel Neues kreieren. Jeder kann sich seine eigene Legende für das Instrument ausdenken.

DAN MOI: Was wünschst Du Dir, wer den Film anschauen soll?

DPP: Ich hoffe, dass ihn Leute sehen, die die Maultrommel noch nicht kennen. Natürlich freue ich mich auch, wenn Menschen den Film schauen, die mit der Maultrommel schon vertraut sind. Sie werden schon viel über die Geschichte der Instrumente wissen, deshalb ist es gar nicht schlecht, dass „The Strange Sound of Happiness“ keine historische Dokumentation im engeren Sinne ist. Ich hoffe, dass alle die ihn sehen, etwas für sich rausziehen können. Wie viele vielleicht wissen, repräsentiert die Maultrommel schließlich einen magischen Schlüssel ...

DAN MOI: Wie schwer war es die Maultrommel zu filmen?

DPP: Ich habe den Kameraleuten gesagt, dass sie die Maultrommel bitte von der rechten Seite her aufnehmen, denn die linke Seite wird von der Hand verdeckt. Andererseits, wenn man nicht so viel sieht, wird die Sache noch mysteriöser. Es gibt Passagen im Film, in denen es dunkel ist und wir mit genau diesem Effekt spielen: wenn die Maultrommel nicht zu sehen ist, wird sie noch interessanter für die Zuschauenden. Die Leute fragen sich dann, „ist das ein kleines Stück Eisen? Wie wird es gespielt? Was wird damit gespielt?“.

DAN MOI: Welches ist Deine Lieblingsszene im Film?

DPP: Es gibt einen Moment, der im Film nicht vorkommt. Ich habe einen Maultrommelschmied in Jakutien getroffen. Er hat ein Instrument für mich geschmiedet und seither hat sich mein Maultrommelspiel deutlich verbessert. Ich denke, dass ich diesen Sprung meiner neuen Maultrommel und diesem Schmied verdanke. Eines Tages aber ging genau dieses Instrument kaputt. Damals war ich in Europa und es war ein schrecklicher Moment für mich. Es war ganz klar, ich musste zurück nach Jakutien, um es reparieren zu lassen. Als ich in Jakutien ankam, sagte man mir, dass der Meisterschmied krank sei und das Instrument nicht wieder herrichten könne. Als mich diese Nachricht erreichte, musste ich weinen. Es kam mir vor, als würde ich einen geliebten Menschen oder etwas von besonderem Wert für mich verlieren. Das war ein symbolischer Moment für mich. Im Film wird diese Szene rekonstruiert, sie passierte mir jedoch in Wirklichkeit.

DAN MOI: Hast Du eine Marranzano bei Dir?

DPP: Ja, ich habe eine sehr alte Marranzano hier. Sie wurde von einem Schmied angefertigt, der leider schon gestorben ist. Ich hab mal eine Frau getroffen, die mir erzählte, dass ihr Großvater Schmied in Leonforte war. Daraufhin erzählte ich ihr, dass ich wusste, dass es einen Schmied in Leonforte gab, der Maultrommel herstellen konnte, aber bereits tot war. Da sagte sie mir, „ja, genau, das war mein Großvater, er stellte solche Instrumente her“. Sie hatte fünf seiner Instrumente und schenkte mir eines davon. Es ist genau diese Maultrommel, die ich hier in den Händen halte.

DAN MOI: Würdest Du für uns etwas auf der Maultrommel spielen?

DPP: Na klar. Dieser Sound ist nicht ganz typisch für Sizilien. Der sizilianische Maultrommelklang ist eigentlich etwas härter. Ich weiß nicht warum, aber dieses Instrument klingt etwas weicher. Dass es schon so alt ist und immer noch funktioniert, ist auch nicht typisch. Normalerweise ist die Form des Bügels größer. Ich spiele kein sizilianisches Stück für Euch, sondern eine Improvisation. Es ist eine Art Tarantella.


Es befinden sich keine Artikel im Warenkorb.